Donnerstag, 20. Juni 2019
Unsere 2.Reise
Fahrt zum Bodensee
Erster Tag
Der Tag begann um 7.30 Uhr mit meiner ersten Fahrstunde auf dem Wohnmobil. Bisher hatte ich mich noch nicht hinter das Steuer dieses extrem langen, extrem breiten und extrem schweren Geschosses gewagt. Mir war aber klar, dass ich eines Tages dieses Wohnmobil einmal selbst fahren muss. Nun muss ich kurz vorweg schicken, dass ich eine ausnehmend schlechte Autofahrerin bin: Schnell und gedankenlos, gleichzeitig ängstlich und andere Verkehrsteilnehmer herausfordernd, oft unkonzentriert, hin und wieder aggressiv. Keine guten Voraussetzungen, um mir ein 3,5 Tonnen schweres Gerät anzuvertrauen…
Um B. von der Verantwortung zu befreien und unsere Beziehung vor absehbaren Schäden zu bewahren, engagierte ich einen professionellen Fahrlehrer. Ein ausgesprochen entspannter und sehr geduldiger Mann, wirklich! Doch sagen wir mal so: Er brachte zu Beginn der Stunde einen heißen Coffee-to-go mit ins Wohnmobil, am Ende der Fahrt nahm er den Kaffee unberührt und eiskalt wieder mit hinaus, denn der Ärmste hatte alle Hände voll mit mir zu tun!
Um es vorweg zu nehmen: Der Name „Schnecke" passt ausgezeichnet, solange ich am Steuer sitze! Der Fahrlehrer meinte, ich dürfte den wild hupenden und gestikulierenden Hintermännern durchaus meinen gedanklichen Stinkefinger zeigen. So was hörte ich natürlich gerne!
Was ich gelernt habe?
1. So ein Fahrzeug ist WESENTLICH länger als mein winziger Toyota. Das heißt, wenn man ein abgestelltes Fahrzeug oder einen Radfahrer überholt, muss man tatsächlich ne ganze Weile überholen, bevor man wieder einschert! Hier hat mein lieber Fahrlehrer mir doch einige Male ins Steuer greifen müssen. Auch kippte seine Stimme leicht, wenn er mir zum zigsten Mal erklärte, dass ich im rechten Außenspiegel sehen kann, ob ich das Hindernis tatsächlich hinter mir gelassen habe.
2. Überhaupt: Der rechte Außenspiegel! Super wichtig!! Sehen, ob ich bereits im Bankett fahre, ob ich ewig weit vom Bordstein entfernt bin, ob ich beim Abbiegen das halbe Straßencafe leergeräumt habe, ob der Rollerfahrer, den ich gerade überholt habe, noch aufrecht auf seinem Gerät sitzt, und, und, und.
3. Meine größte Angst ist nach wie vor entgegenkommender Verkehr auf einer engen Straße! Beim Toyota mache ich immer die Augen zu, wenn’s arg eng wird! Klappt auch meistens ganz gut: Wenn ich die Augen wieder öffne, hat mich das entgegenkommende Fahrzeug schon passiert. Bei einem Wohnmobil ist diese Art, einer drohenden Gefahr zu begegnen, vielleicht nicht ganz so angebracht. „Bloß nicht das entgegenkommende Fahrzeug fixieren", meinte der Fahrlehrer, „sondern 60-70 Meter nach vorne schauen!“ und: „In den rechten Seitenspiegel sehen!“ Das waren 3 Aufträge auf einmal!!! „Nicht fixieren!“, fand ich gut. Aber während ich noch überlegte, wie viel eigentlich 60-70 Meter sind und ob ich nicht doch vielleicht einfach die Augen zukneifen sollte, da war das entgegenkommende Auto auf der schmalen Landstraße schon vorbei. (Also ich nehme das jetzt mal an. Vielleicht hängt es auch irgendwo bei Herten noch im Straßengraben?)

Augen zu ist auch keine Lösung!

4. Rückwärts einparken habe ich probiert und erfolgreich „im Schneckentempo" erledigt (du weißt schon, hundert mal vor und zurückgestoßen). Wird aber bestimmt nicht zu meinem Hobby!!!

Als wir nach dieser Fahrstunde aus dem Auto stiegen, konnte ich kaum laufen, so verkrampft war jeder Muskel in meinem Körper! Über 60 Minuten eine Scheißangst gehabt, dass ich einen Unfall baue!
Zuhause angekommen, fragte B. voller Vorfreude, welchen Teil der Strecke ich denn nun übernehmen wolle. Da musste ich ihn doch sehr enttäuschen: Ans Steuer unserer Schnecke werde ich mich nur im Notfall setzen!
Bevor wir in den Urlaub starteten, fuhren wir aber noch in unserem „Zivilfahrzeug" an den Zoll. Denn wir wussten, dass wir mit unseren 3,5 t eine Schwerlastabgabe in der Schweiz bezahlen mussten. Und zwar für jeden Tag, den wir uns auf Schweizer Boden aufhielten! Es war aber alles ganz easy: An den Zoll fahren, Formular ausfüllen, Stempel drauf und 32,50 Franken bezahlen. Damit dürfen wir uns mit Schnecke an 10 Tagen im Jahr in der Schweiz aufhalten.
Ganz ohne jede Liste (!) packten wir noch den letzten Rest zusammen und starteten Richtung Bodensee. Keine 5 Kilometer weit sind wir gekommen, da musste B. umkehren: Kaffeemaschine vergessen! War ganz klar meine Schuld, denn B. hatte sie extra auf die Anrichte gestellt und ich hatte sie reflexartig wieder in den Schrank geräumt. Aufräumwahn! Jeder, der mich kennt, kann ein Lied davon singen!

B.s Kaffeemaschine


Eigentlich lief die Fahrt ganz gut, bis….
Ja, bis das Navi uns über Österreich nach Lindau führen wollte. Wir hatten beide schon davon gehört, dass man in Österreich auf den Autobahnen eine GO-Box braucht, von der die Maut abgebucht wird. Hatten wir aber nicht. Also versuchte B. das Navigationsgerät zu überlisten. Klappte aber nicht. Das Navi verarschte uns ganz schön und schickte uns dermaßen in die Irre, davon kann man sich keinen Begriff machen! Unter anderem fuhren wir für teures Geld mit der Fähre von Konstanz aus übern Bodensee.

Schnecke auf der Fähre

Später (war's in Immenstaad?) steckten wir mitten in der Innenstadt in einer Sackgasse fest! B. war mit seinen Nerven fix und fertig! Er hat während der Fahrt sogar mehrmals das Navi angebrüllt. Und ich war mal wieder froh, dass ich nicht fahren musste…

Ankunft
Mit schlappen 2 Stunden Verspätung kamen wir endlich in Kressbronn auf dem Campingplatz Gohren an!!
B. und ich waren aber ganz schön enttäuscht: ein winziger Stellplatz im Schatten. Für den Fall, dass du dir auch mal einen Stellplatz reservieren willst: 65 m² reichen irgendwie gerade mal so!

Schattenplatz

Aufgebaut war schnell. Bei so viel Schatten brauchten wir ja nicht mal die Markise ausfahren.
Der erste Rundgang über den Platz war auch sehr ernüchternd: Alles irgendwie alt und verratzt! Sehr viele Dauercamper und einige waren wahrscheinlich Hartz 4-Empfänger. Die Stellplätze sahen teilweise aus wie Kulissen für eine RTL-Doku: „Arm und ohne festen Wohnsitz" oder „Leben im Hartz 4 Dschungel".



ohne Worte….

Es gab einen kleinen Supermarkt auf dem Platz. Ein erheblicher Anteil des Angebots bestand aus Schnäpsen und anderen alkoholischen Getränken. (Was viel über die Ernährungsgewohnheiten der Campingbewohner aussagte…)

Supermarkt

Außerdem gab es nur wenige Stunden vor unserer Ankunft heftigen Starkregen. Manche Stellplätze ähnelten einem Sumpf. Der Bodensee hatte Hochwasser und der Strand (mit dem die Campingplatzbetreiber Werbung machten) war schlichtweg in den Fluten verschwunden.

Überschwemmtes Ufer

Entsprechend enttäuscht war ich. In Frankreich war's so schön gewesen! Und jetzt das!
Vielleicht wäre ich versöhnlicher gewesen, wenn das Wetter gestimmt hätte. Aber es war für Juni ungewöhnlich kühl. Und das zog mich für den Augenblick echt runter.
In der Nacht war Party angesagt. Bis Mitternacht wummerten die Bässe, klirrten die Flaschen und herrschte allseits gute Laune bei den anderen Mitbewohnern. Da ich zur festen Ausstattung unseres Wohnmobils Ohropax zähle, war das Unterhaltungsprogramm aber erträglich leise.

2. Tag
Als wir aufstanden, schien die Sonne. Gutes Omen!! Ich beschloss, dass dieser Tag ein Ausflugstag werden sollte. Ich rief einen sogenannten „Bürgerbus“ per Telefon herbei. Eine echt tolle Erfindung: Der kleine rote Achtsitzer kam an bestimmte Haltestellen im Ort, aber nur wenn man ihn vorher bestellte. Die Fahrer waren allesamt Ehrenamtliche und die Gemeinde bezahlte die Sachkosten.

Der Bürgerbus holte uns vor dem Campingplatz ab und fuhr uns nach Kressbronn zum Bahnhof. Von dort ging es weiter mit der Bahn nach Lindau. Ich war zwar schon mal vor Jahren dort gewesen, aber ich hatte vergessen, wie schön es dort ist! Wirklich wie Freiburg oder wie Konstanz!

Ganz entspannt…

Enge Gässlein, hübsche Geschäfte, gediegene Hotels, wunderbare alte Häuserfassaden, gut gelaunte Touristen, der Bodensee, Gaukler, Eisdielen, einlaufende Yachten, auslaufende Passagierschiffe und das beste von allem: schönes, sonniges, warmes Wetter! Punktlandung für einen gelungenen Ausflug und gute Laune bei mir garantiert.

Gauklerin


Lindaus Hafen und in der Innenstadt eine hübsche Fassade

Schließlich besuchten wir noch die Hundertwasserausstellung im Kunstmuseum ganz nah beim Bahnhof.

Kunstmuseum Lindau

Angefüllt mit wunderschönen Eindrücken fuhren wir wieder zum Campingplatz zurück. Dort sah ich dann auch die ganzen Dinge, die mich am Vortag noch deprimiert hatten, mit anderen Augen: Rücksichtslose Kinder? Ach, wie putzig, die Kleinen! Keifende Mütter? Ja, die haben sich ihren Urlaub sicher auch anders vorgestellt! Betrunkene Väter? Die wollen auch mal abschalten. Laute Jugendliche? Hach, die Jugend halt….
Ich wollte mir die gute Laune einfach nicht verderben lassen.
Nach dem Abendessen ging's wie immer mit dem schmutzigen Geschirr zur Spülstation. Dort gab's große Spülen und heißes Wasser in rauen Mengen.

Spüle auf dem Campingplatz

Ein bisschen heißes Wasser brauchte ich auch in Schneckes Miniküche, weil ich Herd, Arbeitsplatte und Tisch abwaschen wollte. Also schaltete ich den Boiler an. Inzwischen war ich ja Profi beim Umgang mit der ganzen Technik. Als dann aber kurz danach ein schreckliches Geräusch aus den Tiefen unseres Wohnmobils kam und das ganze Gefährt vibrierte, da blieb mir doch fast das Herz stehen. Schnell schaltete ich die Wasserheizung wieder ab. Es tauchte zwar eine ominöse Fehlermeldung im Display auf, aber B. konnte trotz intensiver Recherche nicht herausbekommen, was die Fehlerursache war. Irgendwas ist irgendwie immer, oder?
Spät abends legte ich mal wieder meine heißgeliebten Listen an:
VERGESSEN: Toastbrot, Brotmesser, Topfschwamm
KAUFEN: Tragekorb für Duschutensilien, Rucksack
Es ist mir absolut schleierhaft, warum ich vor der Abfahrt nicht ein einziges Mal auf die Listen geschaut habe, die ich fürs Verreisen erstellt habe! Und das, wo ich doch der weltgrößte Listenfan bin! Ich muss mich da einfach mehr disziplinieren: Vor jeder Fahrt einen kurzen Listencheck machen, wie ihn Piloten vor dem Abflug durchführen. Andererseits: Wo bleibt da die Spontanität? Ich wäre doch auch so gerne spontan…

3.Tag
Nichts geplant. Einfach in der Sonne gelegen und das Leben auf dem Campingplatz studiert. Mir einen Sonnenbrand geholt.
Mittags mal ein Eis aus einem ulkigen Automaten gezogen. Funktionierte mit einem Schlauch, wie ihn automatische Melkmaschinen haben. Geld eingeworfen, Nummer des gewünschten Eis eingegeben, Schlauch senkte sich herab, saugte das Produkt an, zog es hoch und versenkte es in den Ausgabeschacht. Bin 50 Jahre alt geworden, um so was einmal erleben zu dürfen!
Irgendwann habe ich noch einen Spaziergang über den Platz gemacht. Die vermieteten hier ganz entzückende Häuschen, wie aus einer Geschichte von Astrid Lindgren entsprungen. Optisch sehr gelungen.

Bunte Häuschen zum Mieten

Durch das schöne Wetter hatte man auch einen prima Blick über den See und auf die Alpen.

Alpenblick

Ein prüfender Schritt mit den Flipflops ins Wasser zeigte mir eine angenehme Wassertemperatur. Natürlich weit entfernt von den von mir geforderten 25°, aber für ein Fußbad hätte es gereicht. Allerdings sahen die mutigen Schwimmer allesamt wie Moormonster aus, wenn sie aus dem Wasser stiegen: Über und über mit Pflanzenresten bedeckt! Der See war immer noch sehr aufgewühlt durch den vielen Regen.
B. und ich verbrachten viel Zeit mit der Planung für einen Ausflug nach Friedrichshafen. Leider hatten wir vergessen, dass am nächsten Tag Samstag war und die ganzen Fahrpläne nur für Werktage galten. Das stellte ich erst fest, als ich den Bürgerbus reservieren wollte! Nix da, keine Chance! Okay…. Dann wurde der Ausflug halt auf Montag verschoben. Und für den kommenden Tag planten wir, uns Fahrräder auszuleihen.
Gegenüber von unserem Stellplatz urlaubte eine Frau mit ihrem etwa 16-jährigen Sohn und ihrem kleinen Wuschelhund. Diese Frau fiel mir schon vom ersten Tag unangenehm auf. Dauernd schlecht gelaunt und am Schimpfen. Und zwar lautstark, damit jeder, aber auch wirklich jeder auf dem Platz hörte, dass sie schließlich nicht den „Geldscheißer“ hat, ihr Sohn sich grundsätzlich schlecht benimmt und überhaupt die ganze Welt ungerecht ist. Campingplatz-Hunde hatte ich bisher immer als wohlerzogen und friedlich erlebt. Wie wenn es einen ungeschriebenen Ehrenkodex gäbe, an den sich die Hunde halten. Ausnahme: Der Kläffer von schräg gegenüber. Schon morgens musste er lauthals kundtun, dass er nun wach sei und der Tag beginnen könne. Selbstverständlich fiel dann auch gleich Frauchen ein mit: „Aus! Still! Hier! Gib endlich Ruhe!“ Das ist doch das Tolle am Campen: Die Gewissheit, dass dies keine lebenslange Nachbarschaft sein wird, sondern dass sich in ein paar Tagen die Wege trennen werden und jeder von dannen zieht!
Abends sind wir noch fein Essen gegangen. B. bekam seine heißgeliebten Käsespätzle (die es zu Hause nie gibt, weil mir die nicht schmecken) und ½ l Bardolino, ich ein Gemüsegratin und Salzkartoffeln (die es zu Hause nie gibt, weil B. die nicht schmecken) und einen Hugo. Lecker!

Genuss muss sein


4.Tag
An diesem Morgen wurde ich fast wahnsinnig: Hatte ich mir doch seit 4 Tagen die Haare nicht gewaschen! Unter den Duschen auf dem Platz war das auch kaum möglich mit langen Haaren: Die Druckknöpfe erlaubten jeweils nur wenige Sekunden warmes Wasser. Und das auch noch direkt von oben in einer so weiten Streuung, dass auf dem Körper eigentlich nur so eine Art Nieselregen ankam. Ich sagte also zu B., dass ich mir ein Fahrrad ausleihen, in den nächsten Ort radeln und mir dort einen Friseur suchen wollte, der Kundinnen auch ohne Termin annimmt. Ich wollte einfach nur „Waschen und Fönen". Da erzählte mir B. von einer kleinen Dusche auf dem Platz, die einen Drehknopf hätte, mit dem endlos lange das Wasser lief, bis man es wieder abdrehte. Also, was es für Männer gab, musste es doch auch für Frauen geben! Dachte ich und machte mich auf die Suche. Nach endlos vielen Türen, die ich neugierig aufstieß, fand ich auch endlich die versprochene Duschkabine. Sie bestand aus einer Säule mit vielen Löchern und „tatata"(!!) hatte sogar eine Handbrause. Ausziehen brauchte ich mich nicht, ich wollte ja nur die Haare waschen. Also breitbeinig hingestellt, nach vorne gebeugt, Brause über die Haare gehalten und Wasser angedreht. Was dann folgte, wäre einer Dicku und Doof-Slapstick-Komödie würdig gewesen: Das Wasser schoss aus allen Löchern dieser Säule, und zwar mit voller Kraft! Und ich verhielt mich so unlogisch wie es nur ging: Stand kreischend in eine Ecke der Kabine gepresst!! Nutzte natürlich nichts. War innerhalb von Sekundenbruchteilen völlig durchnässt! Bis endlich mein Gehirn wieder einsetzte und ich erstmal das Wasser abdrehte. Nach und nach fand ich raus: Drehknopf auf 9 Uhr: Wasser von oben. Drehknopf auf 3 Uhr: Wasser aus den Düsen an der Wand. Drehknopf auf 6 Uhr: Handbrause.

Praktisch – Wenn man das Ding bedienen kann!

Um etliches schlauer geworden und gründlich durchweicht, aber immerhin mit frisch gewaschenen Haaren schlurfte ich dann zurück zum Wohnmobil. Es war ein wunderbar warmer Tag und die Haare waren schnell an der Sonne getrocknet.
Dann holten B. und ich an der Info-Theke 2 Fahrräder und 2 Helme. Da wurde ich leider ein bisschen zickig: Die Helme sahen allesamt so schmuddelig aus. So was Vergammeltes wollte ich nur äußerst ungern auf mein frisch gewaschenes Haar setzen! B. und der Fahrradverleiher wurden mittlerweile ziemlich ungnädig, weil ich mich so zierte. Schließlich siegte bei mir doch die Vernunft. Ich nahm den Helm, der am besten saß und damit basta! Nützte ja nichts. Das ist wie bei „Schere, Stein, Papier": Möglicher Schädelbasisbruch sticht frisch gewaschenes Haar!
Die erste Fahrt unternahmen wir am Vormittag nach Langenargen. So ein hübsches Städtchen! Zuerst kurvten wir durch den Yachthafen und staunten über sehr schöne Boote. Dann ging’s weiter zum Schloss Montfort und zu anderen sehenswerten Punkten in dieser kleinen Stadt. Ich war mal wieder überrascht, was für einen außergewöhnlichen Orientierungssinn B. doch hat! Ganz ohne Karte und nur „nach Gefühl" fuhr er voraus und fand die hübschesten Fleckchen. Beneidenswert! (Und das, obwohl ICH diejenige bin, die als Kind bei den Pfadfindern war!)

Schloss Montfort in Langenargen

Über die Mittagszeit kehrten wir zu Schnecke zurück. Ich nutzte die Mittagspause, um noch schnell im campingplatzeigenen Supermarkt ein paar Lebensmittel einzukaufen. Irgendwie „verdunsteten" die mitgenommenen Leckereien in unserem Wohnmobil geradezu! Also besorgte ich das Allernotwendigste: Saft, Cola, Schokolade und Kekse.
Nachmittags ging's dann nochmal auf kurze Tour nach Kressbronn an den dortigen Hafen. Auf dem Rückweg fuhr B. hinter mir und rief immer wieder: „ rechts“, „links", „nochmal links"… Ohne ihn würde ich bis heute noch durch die Ortschaften am Bodensee irren!

Per Rad nach Kressbronn

Spät am Abend zog ein Sturm auf. Am Bodensee gab es Sturmwarnung. Überall an den Ufern blinkten orange Lichter. War richtig gruselig. Alle Campingurlauber räumten die Dinge weg, die bei starkem Wind wegfliegen konnten. Was die Leute machten, die hier zum Zelten waren, entzog sich meiner Kenntnis, denn von unserem Fenster aus konnte ich diese nicht beobachten. Es war zuerst ganz ruhig, dann rauschte es wenige Augenblicke lang beängstigend laut. Das Geräusch und der Wind kamen direkt vom See. Und dann ging's los! Da war ich echt froh, dass wir in so einem großen, schweren Wohnmobil saßen und nicht in irgend so einem kleinen, klapprigen Ding. Trotzdem wackelte Schnecke nicht unerheblich hin und her. Hagel und Starkregen machten einen Höllenlärm auf dem Dach. Hin und wieder flog ein Ast auf unser Gefährt. Da zuckte ich jedes Mal ein bisschen zusammen. Aber passiert war im Endeffekt nichts.

5. Tag
Dieser Tag war der „Recherche" gewidmet. Da es nach dem Sturm noch recht kühl draußen war (so um die 17°), schaute ich im Internet nach,
a) Welche Klapp-e-Bikes für uns in Frage kamen
b) Wo Fahrsicherheitstrainings angeboten wurden
c) Welche Heckgaragen-Systeme es gab und wie sie angebracht werden konnten
d) Was Sonnenschutzmatten kosteten, die von außen aufgebracht werden

Zu a) Nachdem wir am Vortag so viel Spaß mit den Leihrädern gehabt hatten, war es klare Sache, dass wir uns eigene Räder anschaffen wollten. Unter den Campingnutzern war das Modell „Mobilist" deutlicher Favorit. Aber extrem teuer! Nur die Hälfte davon kostete ein „Swemo", hatte aber auch sehr ambivalente Kritiken im Netz. Ich beschloss, mich erst mal bei den beiden Händlern im Heimatort beraten zu lassen.
Zu b) Die Fahrstunde wenige Tage zuvor war rückblickend gar nicht so schlecht gewesen. Aber ich hatte noch das Bedürfnis nach „Fahren unter extremen Bedingungen“, also starke Kurven, wilde Bremsmanöver, regennasse Fahrbahn etc.
Internetrecherchen führten mich zur Firma Hymer, die in einigen Wochen ein solches Training im schwäbischen Münsingen anboten. Kurz mit B. gegengecheckt, er hatte auch Lust darauf und wir hatten beide an dem Wochenende Zeit. Also angemeldet. Leider erfuhr ich dann recht schnell, dass für 2019 sämtliche Kurse (egal bei welchen Anbietern) ausgebucht waren. Echt schade…
Zu c) Tja, unsere Heckgarage sah zu der Zeit noch ziemlich wild aus. Das war einfach nur ein großer, leerer Raum im Heck unserer Schnecke. Darin lagen Campingstühle, Fußhocker, Klapptisch, Kisten (voller Krimskrams), Schläuche, Gießkanne, Eimer und andere Utensilien einfach so in einem großen Durcheinander. Das widerstrebte uns natürlich sehr. Das sah nicht nur sehr unordentlich aus, sondern die Dinge gingen so auch ziemlich schnell kaputt! B. und ich sind jetzt aber handwerklich dermaßen ungeschickt, dass wir uns beide nicht zutrauten, „Airline-Schienen“ zu verschrauben. Jaha, du staunst, was für Begriffe ich plötzlich kannte! Airline-Schienen! Wir hatten beide Schiss, beim Verschrauben plötzlich durch die Karosserie zu brechen oder den Tank anzubohren. Beides nicht sehr empfehlenswert! Also informierte ich mich über Superkleber: Dank YouTube wusste ich schon bald alles über Sikaflex und Dekalin. Allerdings sind die Wände im Kofferraum alle nur mit Laminat beschichtet. Konnte ja sein, dass diese Produkte kleben wie der Teufel, aber wenn dafür das ganze Laminat abreißt, ist auch nicht viel gewonnen.
B. und ich beschlossen, erst mal die Fahrräder anzuschaffen, damit wir eine ungefähre Vorstellung von der Aufteilung der Heckgarage bekommen konnten.

Totales Chaos!

Zu d) Bisher hatten wir für die Frontscheibe ein Rollo heruntergezogen, das uns vor fremden Blicken, ganz gut vor Sonneneinstrahlung, aber nur ziemlich leidlich vor Wärme und Hitze schützte. Aber viel schlimmer: Wenn das Rollo unten war, bekam ich nicht mehr mit, was vor unserem Stellplatz los war!! Wenn ich was mitkriegen wollte, musste ich entweder aus den Seitenscheiben linsen oder rausgehen und vors Fahrzeug laufen, was mich sehr neugierig erscheinen ließ. Nun fand ich heraus, dass es Sonnenschutzmatten zu kaufen gab, die vor Sonne und fremden Einblicken schützte, aber die vom Innenraum her transparent waren. Was für eine praktische Erfindung!! Leider fand ich nichts Adäquates für unser vollintegriertes Mobil. Bei uns fehlte nämlich die Beifahrertür. Und die meisten Matten befestigte man, indem man sie in die Türe einklemmte. Auch empfand ich es als Nachteil, dass mit Einschalten der Innenbeleuchtung die Nachbarn ungehindert zu uns hineinsehen könnten. Hmmm, darüber wollte ich dann lieber nochmal nachdenken…

6. Tag
Sind gleich in der Früh zur Schiffsanlegestelle gefahren und mit der „Vorarlberg" nach Friedrichshafen geschippert. Herrlich!

Reise mit dem Schiff nach Friedrichshafen

Dort angekommen, enterten wir erstmal ein Cafe und gönnten uns ein kleines Frühstück.
Dann ging es zum Shoppen, weil ich meinen Rucksack zu Hause vergessen hatte und nun einen wollte, den ich immer im Wohnmobil lassen konnte. Beim Einkaufen ist B. immer sehr dünnhäutig, weil er das hasst! Da brauchte ich gar nicht zu fragen: „Wie findest du das oder das?“ Ich bekam immer nur ein unwirsches Brummen als Antwort. Also entschied mich schnell für ein veganes Modell:


Anschließend verbrachten wir einige Stunden im Zeppelin- Museum (gähn!). Aber Hauptsache, B. hatte seinen Spaß…

Friedrichshafen ist die Zeppelinstadt

Wenige Meter entfernt fanden wir ein Bio-Restaurant mit ausschließlich vegetarischen und veganen Gerichten. Ich nahm den Salatteller mit Frühlingsrollen und B. das Saitan-Steak mit Pommes. Um die Verdauung anzuregen, spazierten wir noch die Uferpromenade rauf und wieder runter. Inzwischen war es richtig heiß geworden, deshalb kauften wir uns ein megariesen Eis mit allem drum und dran und schlenderten gaaanz gemütlich zum Bahnhof, weil wir zurück mit dem Zug fahren wollten. An dem vermeintlichen Bahnhof angekommen stellten wir jedoch fest, dass dies gar nicht der Hauptbahnhof war, sondern irgendeine S-Bahn-Haltestelle. Jetzt hättest du mal sehen sollen, wie schnell wir beide von „völlig relaxed" auf „völlig gestresst" umschalteten! Da wir in Kressbronn wieder den Bürgerbus für die Rückfahrt zum Campingplatz bestellt hatten, mussten wir unbedingt diesen einen Zug erwischen. Glücklicherweise konnte B. erneut sein inneres Navi aktivieren und wir fanden mit nur wenigen Umwegen zum Hauptbahnhof. Allerdings hatte es um die 30° und bei dieser Hitze durch die Gegend zu rennen, war alles andere als erquicklich! Als wir uns endlich (3 Minuten vor Abfahrt!) schwer atmend die Sitze unseres Zuges fielen ließen, hatte mein Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate und ich sah aus, als würde mich gleich der Hitzschlag treffen. Mitleidige Blicke der übrigen Mitreisenden bestätigten diesen Eindruck. Die Dame, die uns gegenüber saß, bot mir ihren Sitz an, der im Gegensatz zu meinem Platz im Schatten lag. Das nahm ich natürlich gerne an!
Auf unserem Stellplatz angekommen, ließ ich erstmal kurz - nur ganz kurz! – die Klimaanlage im Wohnmobil auf volle Pulle laufen. Da drin hatte es sich nämlich tagsüber auf 37° aufgeheizt. B. legte sich auf einen Campingstuhl in den Schatten und ratzte sofort weg. Ich ging zum Duschen und Haare waschen. Jetzt waren wir froh um unseren schattigen Stellplatz. Um genau zu sein, hatte der Platz morgens und über die Mittagszeit durchaus Sonne, erst so ab 14 Uhr versteckte sich die Sonne hinter den Bäumen. Das war halt nicht so dolle, so lange es draußen noch nicht so warm war und man nach jedem Sonnenstrahl lechtzte. Inzwischen waren die Temperaturen aber durchaus im sommerlichen Bereich angelangt. Da waren die schattenspendenden Bäume genau richtig.

7.Tag
Ein paar Worte zur Kleiderordnung auf einem Campingplatz: Es gibt keine Kleiderordnung! Naja, irgendwie vielleicht schon. Denn wer hier „normal", im sagen wir einmal „Bürodress“ rumläuft, der wird kritisch gemustert. Hat der oder die sich etwa verlaufen? Gehört diese Person vielleicht zum Personal an der Rezeption? Was anderes ist kaum vorstellbar.
Habe mir für die Duschgänge ein Hängerchen und Flipflops besorgt, weil ich mich bekanntlich in der Duschkabine sehr ungeschickt anstelle und schnell mal alles nass wird. Wenn's kühler ist, kommt eine Fleecejacke drüber und Plastikclogs an die Füße. B. (und die meisten anderen Männer) watscheln in Bademantel und Saunalatschen übern Campingplatz. Kürzlich am Abend fiel mir ein, dass ich meine Zähne noch nicht geputzt hatte, steckte aber schon in der Schlafanzughose. Kein Problem! Ich fiel überhaupt nicht auf.

So würde ich zu Hause nicht einmal an den Briefkasten gehen. Auf einem Campingplatz sind Leggins und Plastikclogs durchaus salonfähig.

Auf dem Campingplatz Gohren gab es richtig viel Verkehr. Von folgenden Fahrzeugen wäre ich beinahe überfahren worden: Scooter (mit und ohne elektrischen Antrieb), Skateboards, Mono-Wheels, Segways, Hoverboards, VW-Buggys, Gokarts, Fahrräder (in der Regel mit Anhängern), E-Bikes, Dreiräder (für Erwachsene!), Liegeräder (teilweise mit 3 Rädern) und mehrere Rollstühle!! Man musste überall seine Augen haben und ständig auf der Hut sein, sonst wurde man kurzerhand über den Haufen gefahren. Die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit wurde einzig und allein von den Fußgängern eingehalten. Ein solches Verkehrsaufkommen hätte eigentlich einen eigenen Verkehrspolizisten erfordert.
An diesem Tag fielen über das Nachbargrundstück 8(!) junge Männer/Jugendliche ein. Sie qualmten alle(!) wie die Schlote, bauten Zelte auf und waren offenbar mit dem Ziel gekommen, es richtig „krachen" zu lassen und Party zu machen. Da waren B. und ich uns ziemlich schnell einig, schon eine Nacht früher nach Hause zu fahren. Es war schließlich was anderes, ob nachts irgendwo auf dem Gelände Partys gefeiert wurden oder in direkter Nachbarschaft, eine Armlänge von deinem Bett entfernt.
Also schnell an die Rezeption, bezahlt, eingepackt und losgefahren. Es war im Gegensatz zur Hinfahrt eine super entspannte Reise. Wir gaben ins Navigationsgerät ein „Keine Maut“ und „Keine Autobahn“. Nachdem wir dann den Bodensee passiert hatten, löschte ich diese Vorgaben wieder heraus und alles klappte hervorragend. Es war so toll: Abends war kaum mehr Verkehr, wir reisten sozusagen dem Sonnenuntergang entgegen, es war nicht mehr so furchtbar heiß und wir kamen irgendwann nach 22.00 Uhr zu Hause an.
Unser Fazit: Das nächste Mal lieber wieder einen kleinen Campingplatz wählen. So große Plätze wie der in Gohren sind uns zu laut und zu wild. Dafür fühlen wir uns einfach nicht mehr jung genug...

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